Im Kapitel Grundkonzepte haben wir die wachsenden Zahlenmengen \(\mathbb{N} \subset \mathbb{N}_0 \subset \mathbb{Z} \subset \mathbb{Q} \subset \mathbb{R}\) besprochen. Wie kann diese Folge weitergeführt werden? Welchen Nutzen könnte eine neue Zahlenmenge haben, die größer ist als die reellen Zahlen? Darum geht es in diesem Kapitel, in dem wir die komplexen Zahlen als Erweiterung der reellen Zahlen einführen und einige ihrer vielfältigen Anwendungen aufzeigen werden.
Die komplexen Zahlen können als Vektoren der Ebene interpretiert werden, die mit einer neuen Multiplikation ausgestattet werden. Diese Änderung der algebraischen Struktur vereinfacht in der Folge viele andernfalls mühselige und komplizierte Berechnungen – so wie bei anderen Erweiterungen von Zahlenmengen. Komplexe Zahlen werden insbesondere in der Elektrotechnik und Signalanalyse (Fourier-Transformation) aber z. B. auch in der Quantenmechanik verwendet.
Kartesische Form
Um die Diagonale des Einheitsquadrats zu berechnen, muss man die Gleichung \(x^2 = 2\) lösen, was in \(\mathbb{R}\) möglich in \(\mathbb{Q}\) aber unmöglich ist, vgl. Wikipedia. Auf analoge Weise kann man die Gleichung \(x^2 = -1\) in der Menge \(\mathbb{C}\) der komplexen Zahlen lösen, aber nicht in \(\mathbb{R}\). Die Lösungen von \(x^2 = -1\) werden als die imaginäre Einheit\(j\) und die negative imaginäre Einheit \(-j\) definiert. Es gilt also \((-j)^2 = j^2 = -1\). Wir verwenden hier das in der komplexen Wechselstromrechnung verwendete Symbol \(j\) anstatt des in der Mathematik üblichen Symbols \(i\).
Eine komplexe Zahl \(z\) kann definiert werden als die Summe einer reellen Zahl \(x\) und einem reellen Vielfachen \(y\) der imaginären Einheit \(j\):
\[
z = x + jy
\]
Eine komplexe Zahl \(z = x + jy\) enthält somit dieselbe Information wie der Vektor \((x, y)\) der Ebene. Daher wird sie auch gerne als Zeiger (=Ortsvektor) in der Ebene (=komplexe Zahlenebene) dargestellt, vgl. Wikipedia. Der reelle Anteil \(x\) heißt Realteil von \(z\), geschrieben als \(\text{Re}(z) = x\), und das Vielfache \(y\) der imaginären Einheit heißt Imaginärteil, geschrieben als \(\text{Im}(z) = y\). Die Darstellung einer komplexen Zahl mittels der kartesischen Koordinaten \(x\) (Realteil) und \(y\) (Imaginärteil) als \(z = x + jy\) ist die kartesische Form von \(z\). In Abbildung 1 wir die komplexe Zahl \(z = 3 + 2j\) in der komplexen Zahlenebene dargestellt.
Zwei komplexe Zahlen sind gleich, wenn sie in Real- und Imaginärteil übereinstimmen, vgl. die Gleichheit von Vektoren. Das Rechnen mit komplexen Zahlen funktioniert unter der Berücksichtigung von \(j^2=-1\) mit den selben Rechenregeln wie beim Rechnen mit reellen Zahlen. So erfolgt z. B. die Addition und Subtraktion wie in der Vektorrechnung komponentenweise. Zur Multiplikation und Division von komplexen Zahlen gibt es aber keine äquivalente Rechenoperation in der Vektorrechnung.
Eine sehr hilfreiche, zusätzliche Rechenoperation ist die sogenannte Konjugation, die bei einer komplexen Zahl \(j\) durch \(-j\) ersetzt. Für \(z = x + jy\) schreibt man die konjugiert komplexe Zahl\(x - jy\) als \(\overline{z}\) oder \(z^*\). Es gelten:
\(\overline{z} = z \iff z \in \mathbb{R}\), d. h. \(\text{Im}(z) = 0\)
Geometrisch entspricht die Konjugation der Spiegelung an der Realteil-Achse der komplexen Zahlenebene. Die Konjugation ist z. B. bei der Division zweier komplexer Zahlen hilfreich. Man erweitert dabei den Quotienten mit dem konjugiert komplexen Nenner, um diesen reell zu machen. Hier ein Beispiel: \[
\begin{aligned}
\frac{4 - 8j}{3 + 4j} & = \frac{(4 - 8j)(3 - 4j)}{(3 + 4j)(3 - 4j)} = \frac{12 - 16j - 24j + 32j^2}{9 - 16j^2} = \\
& = \frac{12 - 40j - 32}{9 + 16} = \frac{-20 - 40j}{25} = \\
& = -\frac{4}{5} - \frac{8}{5}j = -0{,}8 - 1{,}6j
\end{aligned}
\]
Die Länge (Norm, Betrag, Radius) einer komplexen Zahl \(z = x + jy\) ist wie in der Vektorrechnung über den Satz von Pythagoras definiert: \[
|z| := \sqrt{x^2 + y^2}
\] Mit Hilfe der Konjugation kann man die Länge auch als \(|z| = \sqrt{z \cdot \overline{z}}\) berechnen.
Polarform
Um eine komplexe Zahl \(z = x + jy\) in der Polarform darzustellen, verwendet man ihren Radius (Länge, Norm, Betrag) \(r = |z|\) und ihren gerichteten Winkel (Argument) \(\varphi = \arg(z)\) als Koordinaten, siehe Abbildung 2.
Für das rechtwinklige Dreieck mit Seitenlängen \(r\), \(x\) und \(y\) erkennt man, dass \(x = r \cos(\varphi)\), \(y = r \sin(\varphi)\) und daher ist \[
z = r\cos(\varphi) + jr\sin(\varphi) = r[\cos(\varphi) + j\sin(\varphi)].
\]
Exponentialfunktion und Eulersche Formel
Die Exponentialfunktion \(e^x\) kann mit einer sogenannten Potenzreihe\[
e^x := \sum _{{n=0}}^{{\infty }}{\frac {x^{n}}{n!}} =
1 + x + \frac{x^{2}}{2!} + \frac{x^{3}}{3!} + \frac{x^{4}}{4!} + \cdots
\] definiert und beliebig genau berechnet werden. Auch für Sinus und Kosinus gibt es Potenzreihen: \[
\begin{aligned}
\sin(x) & = \frac{x}{1!} - \frac{x^{3}}{3!} + \frac{x^{5}}{5!} - \cdots =
x - \frac{x^{3}}{6} + \frac{x^{5}}{120} - \cdots \\
\cos(x) & = \frac{x^{0}}{0!} - \frac{x^{2}}{2!} + \frac{x^{4}}{4!} - \cdots =
1 - \frac{x^{2}}{2} + \frac{x^{4}}{24} - \cdots
\end{aligned}
\] Setzt man für \(x = j\varphi\) in die Potenzreihe von \(e^x\) ein und vergleicht das Ergebnis mit den Potenzreihen von Sinus und Kosinus, so erhält man die berühmte Eulersche Formel\[
e^{j\varphi} = \cos(\varphi) + j\sin(\varphi).
\]
Mit Hilfe der Eulerschen Formel kann man eine komplexe Zahl auch in der sogenannten Exponentialform (auch eine Polarform) schreiben: \[
z = r e^{j\varphi}
\]
Um den Winkel einer in kartesischer Form gegebener komplexen Zahl zu berechnen verwendet man meist die Umkehrfunktion des Tangens, nämlich den Arcustangens\(\arctan: \mathbb{R} \to (-\frac{\pi}{2}, \frac{\pi}{2})\), siehe Abbildung 3.
Wenn die komplexe Zahl \(z\) wie in Abbildung 3 im ersten Quadraten oder im vierten Quadranten liegt, dann ist der mit dem Arcustangens berechnete Winkel korrekt: \(\varphi = \arctan(\frac{y}{x})\).
Wenn \(z\) aber im zweiten oder dritten Quadranten liegt, muss man zu \(\arctan(\frac{y}{x})\) noch \(\pi\) dazu addieren, um den korrekten Winkel im Bogenmaß zu erhalten: \(\varphi = \arctan(\frac{y}{x}) + \pi\).
Aufgrund der Potenzgesetze ist das Multiplizieren, Dividieren und Potenzieren in Polarform sehr einfach und anschaulich:
\(r_1 e^{j\varphi_1} \cdot r_2 e^{j\varphi_2} = (r_1 \cdot r_2) e^{j (\varphi_1 + \varphi_2)}\), d. h. die Radien werden multipliziert, und die Winkel werden addiert.
\(\frac{r_1 e^{j\varphi_1}}{r_2 e^{j\varphi_2}} = \frac{r_1}{r_2}e^{j (\varphi_1 - \varphi_2)}\), d. h. die Radien werden dividiert, und die Winkel werden subtrahiert.
\((r e^{j\varphi})^n = r^n e^{j n \varphi}\), d. h. der Radius wird potenziert, und der Winkel wird multipliziert.
Geometrische Interpretation: Die Multiplikation einer komplexen Zahl \(z\) mit einer anderen komplexen Zahl \(r e^{j\varphi}\) dreht \(z\) um den Winkel \(\varphi\) gegen den Uhrzeigersinn und streckt \(z\) um den Faktor \(r\), falls \(r \geq 1\), bzw. staucht \(z\) um den Faktor \(r\), falls \(r \leq 1\). Die komplexe Multiplikation entspricht in diesem Sinn einer Drehstreckung bzw. Drehstauchung.
Fundamentalsatz der Algebra
Eine algebraische Gleichung \(n\)-ten Grades hat die Form \[
a_n z^n + a_{n-1} z^{n-1} + \dotsb + a_1 z + a_0 = 0
\] mit Koeffizienten \(a_k \in \mathbb{C}\) und \(a_n \neq 0\). Die Lösungen werden in den komplexen Zahlen \(\mathbb{C}\) gesucht. Ein Beispiel: \(-4 z^3 + (3 - 2j) z^2 + 7z - 2j = 0\).
Der Fundamentalsatz der Algebra besagt, dass eine algebraische Gleichung \(n\)-ten Grades mit \(n \geq 1\) immer genau \(n\) Lösungen \(z_1, \dotsc, z_n\) besitzt, wobei mehrfache Lösungen entsprechend oft gezählt werden. Die linke Seite der algebraischen Gleichung, ein Polynom \(n\)-ten Grades, kann mit den Lösungen in seine Linearfaktoren zerlegt werden: \[
a_n z^n + a_{n-1} z^{n-1} + \dotsb + a_1 z + a_0 = a_n (z - z_1) (z - z_2) \dotsm (z - z_n)
\] Bei ausschließlich reellen Koeffizienten \(a_k\) sind die Lösungen paarweise zueinander konjugiert komplexe Zahlen. Das erkennt man daran, dass das Konjugieren der algebraischen Gleichung die Koeffizienten nicht verändert, aber Lösungen in konjugiert komplexen Lösungen überführt. Zum Beispiel hat \(z^3 - z^2 + 4z - 4 = 0\) die Lösungen \(z_1 = 1\), \(z_2 = 2j\) und \(z_3 = -2j\) und \(z^3 - z^2 + 4z - 4 = (z - 1)(z - 2j)(z + 2j).\)
Ein Spezialfall sind die Gleichungen \(z^n = a\) mit \(a \in \mathbb{C}\), die \(n\) verschiedene Wurzeln besitzen. Für \(n=2\) gibt es mit \(a = x + jy\) die Lösungsformel \[
z_{0,1} = \pm \left( \sqrt{\frac{|a| + x}{2}} + j \cdot \text{sgn}(y) \sqrt{\frac{|a| - x}{2}} \right),
\] wobei \(\text{sgn}(y) := 1\) für \(y \geq 0\) und \(\text{sgn}(y) := -1\) für \(y < 0\). Für allgemeines \(n \geq 1\) schreibt man \(a\) zuerst in Polarform \(a = r e^{j\varphi}\) um. Die \(n\) verschiedenen Lösungen lauten dann: \[
z_k = \sqrt[n]{r} \cdot e^{j\left( \frac{\varphi + k \cdot 2\pi}{n} \right)} \text{ mit } k = 0,\dotsc, n-1
\]
Wechselstromrechnung
Die komplexen Zahlen werden in der Wechselstromrechnung verwendet, um Berechnungen mit harmonisch schwingenden Spannungen und Strömen zu vereinfachen. Siehe z. B. [1] Seite 683 ff. Eine harmonische Schwingung ist eine Schwingung \(y(t)\), die sich als \[
\begin{aligned}
y(t) &= A \cdot \sin(\omega t + \varphi) \; \text{oder als} \\
y(t) &= A \cdot \cos(\omega t + \varphi)
\end{aligned}
\] schreiben lässt. Dabei ist \(A\) die Amplitude (der Scheitelwert), \(\omega\) die Kreisfrequenz und \(\varphi\) die Phase (der Phasenwinkel) der harmonischen Schwingung. Zwischen der Periodendauer (Schwingungsdauer) \(T\), der Frequenz \(f\) und der Kreisfrequenz \(\omega\) bestehen die folgenden Beziehungen \[
T = \frac{1}{f} = \frac{2\pi}{\omega}\;\text{bzw.}\; \omega = 2\pi f = \frac{2\pi}{T}.
\] Zwischen Sinus und Kosinus kann man mit den folgenden Formeln wechseln: \[
\begin{aligned}
\cos(\alpha) &= \sin(\alpha + \frac{\pi}{2}) \\
\sin(\alpha) &= \cos(\alpha - \frac{\pi}{2})
\end{aligned}
\]
Code
import numpy as npimport matplotlib.pyplot as pltT =0.5# secondsf =1/Tomega =2*np.pi*fA =1.5phi = np.pi/4t = np.linspace(0, 3*T, 1000)y = A*np.sin(omega*t + phi)plt.figure(figsize=(5, 3))plt.plot(t, y)plt.xlabel("Zeit in s")plt.ylabel("Strom oder Spannung in A bzw. V")plt.grid(True)
Wir behandeln hier exemplarisch nur eine der vielen Anwendungen der komplexen Zahlen in der Wechselstromrechnung, nämlich die Überlagerung gleichfrequenter harmonischer Schwingungen: Seien \(y_1(t) = a_1 \cdot \sin(\omega t + \varphi_1)\) und \(y_2(t) = a_2 \cdot \sin(\omega t + \varphi_2)\) zwei gleichfrequente harmonische Schwingungen, z. B. Strom oder Spannung. Wie lässt sich ihre Überlagerung (=Summe) \(y(t) = y_1(t) + y_2(t)\) am besten berechnen? Dazu schreibt man \(y_1(t)\) als Imaginärteil der komplexen Schwingung \(Y_1(t) = A_1 \cdot e^{j\omega t}\) mit \(A_1 \in \mathbb{C}\) und \(y_2(t)\) als Imaginärteil der komplexen Schwingung \(Y_2(t) = A_2 \cdot e^{j\omega t}\) mit \(A_2 \in \mathbb{C}\): \[
\begin{aligned}
y_1(t) & = a_1 \cdot \sin(\omega t + \varphi_1) = \\
&= \text{Im}(a_1 \cdot \cos(\omega t + \varphi_1) + j \cdot a_1 \cdot \sin(\omega t + \varphi_1)) = \\
&= \text{Im}(a_1 e^{j(\omega t + \varphi_1)} ) = \\
&= \text{Im}(a_1 e^{j\varphi_1} \cdot e^{j\omega t}) \\
y_2(t) & = \dotsc = \\
&= \text{Im}(a_2 e^{j\varphi_2} \cdot e^{j\omega t})
\end{aligned}
\] Wir erhalten daraus \(A_1 = a_1 e^{j\varphi_1}\) und \(A_2 = a_2 e^{j\varphi_2}\). Nun lässt sich die Überlagerung der Schwingungen durch die Addition der komplexen Amplituden (Zeiger) \(A_1\) und \(A_2\) darstellen: \[
\begin{aligned}
y(t) &= y_1(t) + y_2(t) = \\
&= \text{Im}(Y_1(t)) + \text{Im}(Y_2(t)) = \\
&= \text{Im}(Y_1(t) + Y_2(t)) = \\
&= \text{Im}(A_1 \cdot e^{j\omega t} + A_2 \cdot e^{j\omega t}) = \\
&= \text{Im}( [A_1 + A_2] \cdot e^{j\omega t} ) = \\
&= \text{Im}( A \cdot e^{j\omega t} ) = \\
&= \text{Im}( a e^{j\varphi} \cdot e^{j\omega t} ) = \\
&= \text{Im}( a e^{j (\omega t + \varphi)} ) = \\
&= \text{Im}( a \cdot \cos(\omega t + \varphi) + a \cdot \sin(\omega t + \varphi)) = \\
&= a \cdot \sin(\omega t + \varphi)
\end{aligned}
\] Dabei haben wir die Summe der komplexen Amplituden \(A_1\) und \(A_2\) als \(A_1 + A_2 = A\) geschrieben und ihre Polardarstellung als \(A = a e^{j\varphi}\). Der Umweg über die komplexe Darstellung gibt uns das Ergebnis, dass die Überlagerung der harmonischen Schwingungen \(y_1(t)\) und \(y_2(t)\) der Kreisfrequenz \(\omega\) wieder eine harmonische Schwingung der selben Kreisfrequenz ist und sich ihre Amplitude \(a\) und Phase \(\varphi\) aus der Addition der komplexen Amplituden \[
a_1 e^{j\varphi_1} + a_2 e^{j\varphi_2} = A_1 + A_2 = A = a e^{j\varphi}
\] berechnen lässt.
Beispiele
Kartesisch Rechnen
Wir bestimmen von \(\dfrac{4(3 - j)^*}{(1 + j)(-1 + j)}\) den Real- und den Imaginärteil. \[
\begin{aligned}
\frac{4(3 - j)^*}{(1 + j)(-1 + j)} &= \frac{4(3 + j)}{ -1 + j - j + j^2 } = \\
&= \frac{4(3 + j)}{-1 - 1} = -2(3 + j) = \\
&= -6 - 2j
\end{aligned}
\] Somit lauten Real- den Imaginärteil: \(\text{Re}(z) = -6\), \(\text{Im}(z) = -2\).
Polarform
Wir bestimmen die Polarform von \(z = -2 - 6j\).
Der Radius \(r\) ist die Länge der komplexen Zahl \(z\): \(r = \sqrt{(-2)^2 + (-6)^2} = 6{,}32\)
Den Winkel \(\varphi\) berechnen wir in Radiant über \(\varphi = \arctan(\frac{y}{x}) + \pi = 4{,}39\). Beachte, dass die komplexen Zahl \(z\) im dritten Quadranten liegt.
Insgesamt erhalten wir \(z = -2 - 6j = 6{,}32 \cdot e^{j4{,}39}\).
Gegeben sind die beiden gleichfrequenten Wechselspannungen \(u_1(t) = -50 \sin(\omega t)\) und \(u_2(t) = 200 \sin(\omega t + \frac{\pi}{3})\). Bestimmen Sie mit Hilfe einer Rechnung im Komplexen die durch Superposition entstehende resultierende Wechselspannung.
Es gibt viele nützliche sogenannte Additionstheoreme, siehe z. B. Wikipedia und [2] Papula Formelsammlung III, 7.6, S. 95, die sich mit komplexen Zahlen leicht herleiten lassen. Hier ein Beispiel: Wir berechnen die beiden Seiten der Gleichung \(e^{j(x+y)} = e^{jx}e^{jy}\), und setzen danach die Real- und Imaginärteile gleich. \[
\begin{aligned}
e^{j(x+y)} & = \cos(x+y) + j\sin(x+y) \\
e^{jx}e^{jy} & = \left[ \cos(x) + j\sin(x) \right] \cdot \left[ \cos(y) + j\sin(y) \right] = \\
& = \cos(x)\cos(y) - \sin(x)\sin(y) + j\left[ \sin(x)\cos(y) + \cos(x)\sin(y) \right]
\end{aligned}
\]
Gleichheit der Realteile liefert das Additionstheorem \(\cos(x+y) = \cos(x)\cos(y) - \sin(x)\sin(y)\).
Gleichheit der Realteile liefert das Additionstheorem \(\sin(x+y) = \sin(x)\cos(y) + \cos(x)\sin(y)\).
Eulersche Zahl
Wir approximieren die Eulersche Zahl\(e = 2{,}7182818\dotsc\) mittels der Potenzreihe \(e^x = \sum _{{n=0}}^{{\infty }}{\frac {x^{n}}{n!}}\) der Exponentialfunktion auf 5 Kommastellen genau. Für die Definition von \(n!\) siehe z. B. Wikipedia.
import mathe_approx =0for k in [1,2,3,4,5,6,7,8]: e_approx = e_approx +1/math.factorial(k)print(f"e approximiert = {e_approx:.5f}")print(f"e exakt = {np.exp(1):.5f}...")
e approximiert = 1.71828
e exakt = 2.71828...
Aufgaben
Darstellungsformen
Rechnen Sie die in der kartesischen Form gegebene komplexe Zahl \(z = -3 + 5j\) in die Polarform um. Wie lautet die konjugiert komplexe Zahl \(\overline{z}\) in der kartesischen und in der Polarform?
Bringen Sie die in der Polarform vorliegende komplexe Zahl \(z = 3e^{j 30^{\circ}}\) in die kartesische Form und bestimmen Sie die konjugiert komplexe Zahl von \(z\).
Berechnen Sie mit den komplexen Zahlen \(z_1 = -4j\), \(z_2 = 3 - 2j\), \(z_3 = -1 + j\) den Ausdruck \(\dfrac{z_1^* \cdot z_2}{z_3}\).
Berechnen Sie den folgenden Ausdruck, und geben Sie das Endergebnis in kartesischer Form an: \(\frac{2j}{3 - 4j} + 2e^{j(-30^\circ)} + 3\left[ \cos(\pi/4) + j \sin(\pi/4) \right]\).
Quelle:[1] Kapitel VII, Abschnitt 2, Aufgaben 1c und 3a
Real- und Imaginärteil
Berechnen Sie den Realteil und den Imaginärteil von \(z = \frac{(1 + j)^2}{3 + 2j}\)
Real- und Imaginärteil
Berechnen Sie für \(x= x + jy\) folgende Größen:
\(\text{Re}(z^3)\)
\(\text{Im}(z^4)\)
\(\text{Re}\left(\frac{1}{z^2}\right)\)
\(\text{Im}\left(\frac{1}{z^2}\right)\)
Kartesisch Rechnen und Potenzieren
Bringen Sie den folgenden Ausdruck in kartesische Form: \(\dfrac{4(3 - j)^*}{(1 + j)(-1 + j)}\).
Berechnen Sie \((3 - \sqrt{3}j)^4\), und stellen Sie das Ergebnis in der kartesischen und in der Polarform dar.
Berechnen Sie \((-4 - 3j)^3\), und stellen Sie das Ergebnis in der kartesischen und in der Polarform dar.
Quelle:[1] Kapitel VII, Abschnitt 2, Aufgaben 2c, 6b und 6d
Kartesisch Rechnen und Potenzieren
Bestimmen Sie von \((2 - 4j)^2 + \dfrac{|1 - \sqrt{3}j|}{j}\) den Real- und den Imaginärteil.
Berechnen Sie \((3 e^{j\pi})^5\), und stellen Sie das Ergebnis in der kartesischen und in der Polarform dar.
Quelle:[1] Kapitel VII, Abschnitt 2, Aufgaben 2d und 6f
Darstellungsformen und Potenzieren
Die in der kartesischen Form gegebene komplexe Zahl \(z = -4j\) ist in Polarform umzurechnen. Wie lautet die konjugiert komplexe Zahl in der kartesischen und in der Polarform?
Berechnen Sie \(\left[ 2\left(\cos(\frac{\pi}{3}) + j \sin(\frac{\pi}{3}) \right) \right]^{10}\), und stellen Sie das Ergebnis in der kartesischen und in der Polarform dar (Winkel als Hauptwert).
Wurzeln
Wie lauten die Lösungen der Gleichung \(z^3 = 2 + 2j\)?
Bestimmen Sie die Lösungen der Gleichung \(z^2 = -3 + 4j\)
in Polarform.
in kartesischer Form mit der Formel \(z_{0,1} = \pm \left( \sqrt{\frac{|a| + x}{2}} + j \cdot \text{sgn}(y) \sqrt{\frac{|a| - x}{2}} \right)\).
Quadratwurzeln
Berechnen Sie die Quadratwurzeln der folgenden komplexen Zahlen \(z\), und machen Sie die Probe:
\(z = 1 - j\sqrt{3}\)
\(z = -5 + 12j\)
Wurzeln
Bestimmen Sie alle dritten Wurzeln von \(1 + j\) in Polarform und in kartesischer Form.
Bestimmen Sie alle fünften Wurzeln von \(-1\) in Polarform und in kartesischer Form.
Quadratische Gleichung
Lösen Sie die folgende quadratische Gleichung in \(\mathbb{C}\), und machen Sie die Probe: \[
z^2 - 3z + 3 = j
\]
Algebraische Gleichung
Lösen Sie die folgende quadratische Gleichung in \(\mathbb{C}\), und machen Sie die Probe: \[
z^4 - 3(1 + 2j)z^2 - 8 + 6j =0
\]
Wechselstromrechnung
Die gleichfrequenten harmonischen Schwingungen \[
\begin{aligned}
y_1 &= 20 \sin \left( \omega t + \frac{\pi}{10} \right) \\
y_2 &= 15 \sin \left( \omega t + \frac{\pi}{ 6} \right)
\end{aligned}
\] werden zur Überlagerung gebracht. Wie lautet die resultierende Schwingung in der Kosinusform?
Gegeben sind die beiden gleichfrequenten Wechselspannungen \(u_1(t)\) und \(u_2(t)\). Bestimmen Sie die durch Superposition entstehende resultierende Wechselspannung \(u_1(t) + u_2(t)\) mit Hilfe der komplexen Rechnung: \[
\begin{aligned}
u_1(t) & = 100 \sin(\omega t) \\
u_2(t) & = 150 \cos(\omega t - \frac{\pi}{4})
\end{aligned}
\]Quelle:[1] Kapitel VII, Abschnitt 3, Aufgabe 3a
Eulersche Formel
Setze \(x = j\varphi\) in die Potenzreihe \(e^x = \sum _{{n=0}}^{{\infty }}{\frac {x^{n}}{n!}}\) der Exponentialfunktion ein, und vergleiche das Ergebnis mit den Potenzreihen von Sinus und Kosinus: \[
\begin{aligned}
\sin(\varphi) & = \frac{\varphi}{1!} - \frac{\varphi^{3}}{3!} + \frac{\varphi^{5}}{5!} - \cdots \\
\cos(\varphi) & = \frac{\varphi^{0}}{0!} - \frac{\varphi^{2}}{2!} + \frac{\varphi^{4}}{4!} - \cdots
\end{aligned}
\] Schließe daraus die Eulersche Formel \(e^{j\varphi} = \cos(\varphi) + j\sin(\varphi)\).
[4]: Kapitel VI Komplexe Zahlen und Funktionen, Beispiele 1 - 7
Literatur
[1]
L. Papula, Mathematik für Ingenieure und NaturwissenschaftlerBand 1: EinLehr- und Arbeitsbuch für das Grundstudium, 15., überarb. Aufl. Wiesbaden Heidelberg: Springer Vieweg, 2018.
L. Papula, Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler - Klausur- und Übungsaufgaben: 711 Aufgaben mit ausführlichen Lösungen zum Selbststudium und zur Prüfungsvorbereitung, 6., erw. u. überarb. Aufl. 2020 Edition. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2020.
[4]
L. Papula, Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler - Anwendungsbeispiele: 222 Aufgabenstellungen mit ausführlichen Lösungen, 8., überarb. Aufl. Wiesbaden Heidelberg: Springer Vieweg, 2019.